Comicfigur mit Brille interviewt andere Figur im Rollstuhl

Die BIT inklusiv-Prüfverfahren

Der Arbeitsschwerpunkt beschäftigt sich mit der Entwicklung von Verfahren zum Prüfen von PDF-Dokumenten und Anwendungssoftware.

Hintergrund dieser Arbeitsaufgabe: Die Anforderungen an Barrierefreiheit in der Informationstechnik betreffen an Büroarbeitsplätzen nicht nur Webtechnologien (z. B. das Intranet). Im betrieblichen Kontext wirken sich Zugangsprobleme bei Anwendungssoftware (nicht webbasierte, also auch sog. Desktopanwendungen) für Beschäftigte, die auf spezielle Computerhilfsmittel wie Screenreader oder Screenmagnifier angewiesen sind, beschäftigungshemmend aus. Assistenz wird erforderlich, Arbeitsaufgaben müssen verlagert oder Arbeitsabläufe verändert werden. Anwendungssoftware und elektronische Dokumente (PDF) lassen sich nicht gleichermaßen mit dem BITV-Test von BIK testen, wie Websites und komplexe IT-Anwendungen.

Die bisher verfügbaren Prüfverfahren wie der BITV-Test (www.bitvtest.de) oder die IBM-Checklisten sind für eine umfassende Beurteilung der Barrierefreiheit von PDF-Dokumenten oder Anwendungssoftware (Desktop-Anwendungen und komplexere Webanwendungen) nicht ausreichen.
Für webbasierte Lösungen, also zum Beispiel für Intranet-Anwendungen oder Internetauftritte, steht bereits der BITV-Test zur Verfügung. Er liefert ein erprobtes Verfahren, das sich sowohl zur Feststellung des Status quo, zur Begleitung laufender Entwicklungen als auch zur abschließenden Beurteilung von entwickelten Lösungen eignet. Auch wenn es schon vor der Entwicklung des BITV-Tests möglich war, webbasierte Lösungen auf Barrierefreiheit zu untersuchen, wurde erst durch den BITV-Test sichergestellt, dass jeder Prüfer dieselben Prüfschritte untersucht und nach denselben Kriterien bewertet – die Ergebnisse wurden vergleichbar. Der BITV-Test war jedoch weder zur Prüfung von Anwendungssoftware noch für PDF-Dokumente geeignet. Dieser Aufgabe hat sich das Projekt BIT inklusiv angenommen.

Die von BIT inklusiv entwickelten Prüfverfahren decken zusammen mit dem BITV-Test das gesamte Spektrum – elektronische Dokumente, Anwendungssoftware und webbasierte Anwendungen – ab und stellen damit einen großen Schritt in Richtung barrierefreier IT am Arbeitsplatz dar. Hervorzuheben ist die Herstellerunabhängigkeit: Das BIT inklusiv- Prüfverfahren wurde vollständig ohne externe Auftraggeber entwickelt.

Zusammen mit den in diesem Jahr novellierten Gesetzen, allen voran das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), das Gesetz zur Modernisierung des Vergaberechts, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) – sie alle spielen eine wichtige Rolle bei den Europa 2020-Zielen – kann somit dem Ziel barrierefreier IT ein deutliches Stück nähergekommen werden.

Weitergehende Informationen zu den BIT inklusiv-Prüfverfahren:

  1. Prüfverfahren zur Beurteilung der PDF/UA-Konformität von PDF-Dokumenten
  2. Prüfverfahren zur Beurteilung der Barrierefreiheit von Anwendungssoftware
  3. Die BIT inklusiv-Prüfumgebung (Webanwendung)

Prüfverfahren zur Beurteilung der PDF/UA-Konformität von PDF-Dokumenten

Die barrierefreie PDF-Gestaltung gewinnt zunehmend an Wichtigkeit. Zum einen können PDF-Dokumente an Arbeitsplätzen per Knopfdruck aus Office-Anwendungen erstellt werden, zum anderen werden immer mehr Inhalte im Internet durch den möglichen Download von PDFs vermittelt.

Das neue von BIT inklusiv entwickelte Prüfverfahren für PDF-Dokumente folgt einem vergleichbaren Prinzip wie der BITV-Test und basiert auf dem Matterhorn Protokoll. Dazu wurde zunächst das aus der DIN ISO 14289 abgeleitete Matterhorn Protokoll adaptiert, da es in erster Linie für Softwareentwickler entwickelt und daher sehr technisch, schwer verständlich und als Leitlinie zur Prüfung ungeeignet war.

Das BIT inklusiv Prüfverfahren erklärt die Prüfschritte in einer verständlichen Weise. Unerlässlich sind jedoch auch hier neben einem Grundverständnis für die Forderungen der ISO 32000 und der ISO 14289 (die ISO 14289 präzisiert, wie die ISO 32000 PDF/UA-1 anzuwenden ist) sowie des Matterhorn Protokolls Kenntnisse wie z.B. „was ist ein Tag?“, „wie ist eine Tabelle aufzubauen?“ oder „wie verschachtelt man Überschriften?“. Ergänzend zu dem Prüfverfahren wird eine Wiki Plattform eingerichtet, auf der umfangreiche Korrekturhilfen angeboten werden. Anwender, Tester, Ersteller von PDF-Dokumenten und auch Hersteller von geeigneter Software sind hier ausdrücklich aufgefordert, anderen Nutzern weitere Varianten für Korrekturen mit unterschiedlicher Software zur Verfügung zu stellen. Somit wird gewährleistet, dass auch in Zukunft Korrekturvorschläge sowohl mit der jeweils neusten als auch mit älterer Software für die Bedürfnisse unterschiedlichster Tester zur Verfügung stehen.

Im Ergebnis testet das PDF-Prüfverfahren auf PDF/UA Konformität, die Voraussetzung für ein barrierefreies PDF-Dokument gewährleistet. Das Prüfverfahren muss entsprechend erweitert werden, sobald der von der PDF Association geplante Appendix, der konkrete Anforderungen an die Barrierefreiheit formuliert, zur Verfügung steht.

Das PDF-Prüfverfahren von BIT inklusiv ist in enger Abstimmung mit Expertinnen und Experten der PDF Association (www.pdfa.org) entwickelt worden.

Prüfverfahren zur Beurteilung der Barrierefreiheit von Anwendungssoftware

Für die Entwicklung des Prüfverfahrens für Anwendungssoftware wurden verschiedene vorhandene Anforderungen, u.a. aus der DIN EN ISO 9241 (Gestaltungsgrundsätze zur Softwarezugänglichkeit und Gebrauchstauglichkeit) und der EN 301 549 (Anforderungen an Barrierefreiheit bei der Beschaffung von Produkten und Dienstleistungen der Informations- und Kommunikationstechnologien) zusammengeführt und ein systematisches dreistufiges Prüfverfahren entwickelt. Dabei wurden die Prüfschritte auch in Hinsicht auf die Durchführbarkeit einer Prüfung systematisiert, was zum Ergebnis hat, dass eine Prüfung trotz der verschiedenen zugrundeliegenden Anforderungskataloge und deren unterschiedlichem Aufbau jetzt handhabbar ist.

Anstatt starre nicht dynamische Oberflächenbilder zu bewerten, wurde ein prozessorientierter Ansatz für das BIT inklusiv-Prüfverfahren gewählt, der auf „Szenarien“ (z.B. „was passiert nach dem nächsten Klick?“) basiert. Die Voraussetzungen und Bedingungen zur Durchführung einer Prüfung wurden erstmals vollständig beschrieben. Mithilfe des BIT inklusiv-Prüfverfahrens können unterschiedlichste Barrieren nun systematisch, umfassend und detailliert beschrieben werden.

Das BIT inklusiv-Prüfverfahren für Anwendungssoftware wurde in enger Zusammenarbeit mit einem ExpertInnen-Gremium entwickelt. Die ExpertInnen wurden so ausgewählt, dass Know-how zu unterschiedlichen Aspekten des Testens von Anwendungssoftware zur Verfügung stehen, wie umfassende Erfahrungen

  • bei der Gestaltung von Schwerbehindertenarbeitsplätzen
  • beim Einsatz von Computerhilfsmitteln
  • bei der Entwicklung von Anwendungssoftware
  • beim Einsatz von Testfahren
  • bei der Entwicklung von Screenreadern.

Das Gremium besteht aus 12 ExpertInnen und drei ProjektmitarbeiterInnen.

Die BIT inklusiv-Prüfumgebung

Die BIT inklusiv-Prüfumgebung ist eine Webanwendung, die bei Prüfung und der Ergebnisdokumentierung der Barrierefreiheit von jeglicher Art von Anwendungssoftware, Webseiten und Webanwendungen oder elektronischen Dokumenten wie (PDF-Dateien) unterstützt. Sie bietet durch ihre detaillierten Prüfschrittbeschreibungen erstmals eine hohe Transparenz für die Durchführung eines Tests und gewährleistet somit die Vergleichbarkeit verschiedener Gutachten.

Durch einen standardisierten Rahmen für die Dokumentation einer Prüfung beitet sie PrüferInnen einen handhabbaren Arbeitsaufwand; auch dadurch ist die Vergleichbarkeit in Durchführung und Ergebnis gegeben.

Die BIT inklusiv-Prüfumgebung wurde vorrangig für den begleitenden und unterstützenden Einsatz bei der IT-Entwicklung durch Spezialisten entwickelt. Sie wird grundsätzlich öffentlich verfügbar sein. Dadurch ist es theoretisch möglich, sie frei zu nutzen. Theoretisch deswegen, da eine qualifizierte Nutzung umfangreiches Anwendungs- und Expertenwissen voraussetzt. Das bedeutet, dass in der Praxis in der Regel die Beauftragung eines Spezialisten sinnvoll sein kann, um den vollen Leistungsumfang nutzen zu können. Generell ist der Einsatz – analog zum BITV-Test – auch als „Selbstbewertung“ denkbar. Hier gelten allerdings dieselben Einschränkungen wie bei dem BITV-Test, also z. B. ein vereinfachtes Verfahren mit eingeschränkter Aussagekraft sowie fehlende qualitative Bewertung der Zugänglichkeit etc. An dieser Stelle noch einmal der Hinweis: Ein qualitativ hochwertiges Ergebnis kann nur mithilfe einer Expertin / eines Experten erreicht werden.